Deutsche Gay Kreuzfahrt durch die Adria 2025

Runde zwei für mich auf der einzigen deutschen Gay Kreuzfahrt, der Spartacus Cruise. Eigentlich hatte ich dieses Jahr andere Pläne, als eine weitere Gay Kreuzfahrt Erfahrung – ruhig, bodenständig, vielleicht sogar mit Wanderschuhen statt High Heels. Doch die klang vielversprechend: Dubrovnik, Kotor, Sizilien, Amalfi Küste, Neapel – klingt nach Dolce Vita und Disco-Kugel. Und: mit Albanien ein neues Land für meine persönliche Punktewertung im „Reise-Bingo“. Jackpot! Los geht’s mit dem nicko cruise Charterflug – 1,5 Stunden, das ist kaum genug Zeit für ein Glas Tomatensaft und einen Instagram-Post. Der Flieger ist zwar gut gefüllt, aber nicht komplett ausgebucht. Hoffnung keimt auf: Vielleicht bleibt der Mittelplatz frei? Ein kleiner Luxus, der auf Economy-Level fast als Upgrade durchgeht.

Am Flughafen dann erstmal Verwirrung: Der Check-in-Schalter von Condor versteckt sich wie ein schwules Einhorn im Hetero-Dschungel. Die Anzeigetafel zeigt einen anderen Schalter an, aber zum Glück leuchtet irgendwo groß „nicko cruise“ – gefunden! Eingecheckt, durch die Kontrolle, ab zum Gate – und siehe da: Der Mittelplatz neben mir bleibt tatsächlich frei. Halleluja! Perfekte Bedingungen für ein bisschen Augenpflege – schließlich liegt eine Woche voller Glitzer, Schweiß und Basslines vor mir.

Deutsche Gay Kreuzfahrt – Männer haben Spaß mit pinkem Flamingo im Pool

Gay Cruise Start in Dubrovnik

Kaum gelandet, flutscht alles wie auf Rollschuhen. Der Koffer kommt zügig, der Transferbus steht bereit. Kein lästiges Abhaken, keine Liste – wer drin ist, ist drin. Wer zu spät kommt, bleibt halt am Flughafen. Eine Stunde später erreichen wir den Hafen. Ab hier wird’s dann gemächlicher: Passkontrolle, weil wir im nächsten Hafen schon die EU verlassen. Der Grenzbeamte schaut kurz, sieht mein Glitzershirt und fragt sich vermutlich, ob heute Karneval ist. Gepäck durchleuchtet, ich durchgecheckt – und dann noch schnell das übliche Einschiffungsfoto mit „Tante Gadice“. 

Der erste Abend läuft entspannt an – keine wilde Party bis 22 Uhr. Genug Zeit also, um langsam reinzugleiten in den schwimmenden Zirkus. Das Motto heute: „Under the Sea“ – und die Mitreisenden enttäuschen nicht. 44 Nationen haben sich versammelt, um in Netzstrumpfhosen, Meerjungfrauenflossen und glitzernden Tauchanzügen das Deck zu stürmen. Ich schwinge kurz das Tanzbein, lache über einen Seestern mit LED-Leuchten, trinke einen Drink mit Schirmchen – und verabschiede mich dann in meine Kabine. Denn: Was heute noch harmlos glitzert, wird morgen wahrscheinlich eskalieren.

Nächste Station der Gay Cruise: Kotor

Guten Morgen, Montenegro! Wir sind in Kotor angekommen – und das Wetter… nun ja, sagen wir: emotional instabil. Die Wolken hängen so tief, dass selbst mein innerer Sonnenschein eine Regenjacke braucht. Die Altstadt von Kotor ist charmant, winzig und verwinkelt – wie ein Labyrinth für Menschen mit leichtem Aperol-Kater. Da meine geplante Speedboottour wetterbedingt gestrichen wurde, entscheide ich mich für einen kleinen Stadtspaziergang. Links, rechts, nochmal links – und plötzlich stehe ich wieder vor der gleichen Eisdiele. Dreimal. Erst da dämmert mir: Ich laufe im Kreis.

Ein bisschen neidisch beobachte ich einige motivierte Mitreisende, die sich die zahllosen Stufen zur alten Befestigungsanlage auf dem Berg hochquälen. Ich hätte vielleicht mitgewollt – aber mein linker Knöchel sagt „No, Honey!“. Der hat sich beim Extreme Hiking Event in Berlin am letzten Wochenende schon genug Schinderei reingezogen.

DJ Poppy Downes heizt den Gästen der schwulen Kreuzfahrt ein

Weil ich jetzt wieder an Bord unterwegs, gönne ich mir den 16:00 Uhr Tea Dance am Lido Pool. DJ Poppy Downes sorgt für tanzende Hüften – und das auch bei 99% Luftfeuchtigkeit. Der Aperol glitzert im Glas, obwohl die Sonne es längst aufgegeben hat. Um 18 Uhr sollen wir eigentlich auslaufen. Eigentlich. Der Kreufzahrtleiter meldet sich per Durchsage und erklärt, dass wir noch 30 Minuten im Hafen bleiben. Zitat: „Der Wind bläst stärker als Nina Queer nach fünf Aperol Spritz.“

Nach dem Abendessen verpasse ich leider „Disney on the Piano im Blue Room. Aber keine Sorge: Um 22 Uhr startet die heutige Mottoparty „Jungle Fever“ – und ich tauche ein in eine Welt voller Lianen, Leopardenmuster und Latex-Lianen. Einigen Gästen der deutschen Gay Kreuzfahrt scheint das Dschungelbuch als modische Inspirationsquelle gedient zu haben – besonders viele Schlangen sind unterwegs. Um 22 Uhr öffnet auch das sagenumwobene FKK-Deck. Dieses Jahr mit besonderem Starglanz: Zwei Sternchen der erotischen Filmkunst – direkt aus dem Studio Carnal+ sind mit an Bord. Live zu bewundern bei ihrer Arbeit in „The Kinderland“ oder auf Kanal 7 in der Kabine.

Deutsche Gay Kreuzfahrt Zwischenstop in Albanien

Albanien – der feuchte Traum meiner Urlaubsziele. Endlich bin ich da. Folgende Optionen stehen zur Auswahl: Spaziergang durch die Stadt, Sonnenbaden am örtlichen Strand oder Besichtigung einer alten Festung. Ich entscheide mich erstmal für die deluxe Variante: Fernglas auf dem Balkon. Und siehe da – durch die Linsen entdecke ich den verblassten Glanz vergangener Zeiten. Aber hey – ich muss zumindest kurz den Boden Albaniens betreten. Warum? Ganz einfach: Sonst zählt es nicht! Länderpunkt Nr. 47 will schließlich offiziell in der App geloggt werden. Nach diesem großen Moment der Globalisierung geht es zurück aufs Schiff unserer LGBT Kreuzfahrt.

Der heutige Abend verspricht Stimmung: Tante Gladice gibt sich die Ehre mit ihrer Schlager-Show im „Hollywood’s“. Beginn: 20:45 Uhr. Die Tante liefert ab wie Helene Fischer auf Koffein und verabschiedet sich nach über einer Stunde im tosenden Applaus. Standing Ovations, wohin das Auge blickt – und das nach nur einem Glas Sekt. Doch keine Zeit zum Durchatmen, denn: The Dome ruft. Auf dem Weg schnell ein Aperol to go geschnappt und schon stehe ich mitten in der nächsten Revue: Themennacht „Moulin Rouge“. Ganz in Rot. DJ James & U-Seven haben bereits die roten Lichter angeknipst und bringen den Laden zum Beben, als gäbe es einen Preis fürs beste Dekolleté im Nebellicht.

Bären und Daddys sind auf der gay Cruise willkommen

Immer wieder faszinierend ist die kreative Auslegung des jeweiligen Mottos. Heute: „Moulin Rouge“. Einige werfen sich in Korsetts, andere in Federboas – und dann gibt es noch die Puristen: ein roter Schlüpfer reicht offenbar völlig. 

Gay Cruise Stop in Gallipoli

Willkommen zurück in der EU! Und mit ihr zurück im göttlichen Segen des gebührenfreien Roamings. Plötzlich wird das Bord-WLAN uninteressant, und Grindr läuft wieder wie frisch geölt für einen Gay Single Urlaub. Das kurbelt die zwischenmenschliche Akquise an Bord erheblich an.
Zwar sitzt ich hier auf einer Gay Schiffsreise quasi in der Fleischabteilung von Edeka direkt neben dem Grill, aber trotzdem muss natürlich selektiert werden. Schließlich schmeckt auch nicht jedem jede Sorte Fleisch. Auswahl ja – aber bitte mit Würde, Stil und Mindestgröße. 

In Gallipoli organisiert Spartacus Cruise, die einzige deutsche Gay Cruise, einen eigenen Beachday, damit man nachdem tagelang das Wasser sieht in dieses auch mal eintauchen kann. Und seien wir ehrlich: Schwule sind wie Schildkröten – sie legen ihre Eier gerne in den Sand. Das Abendprogramm bringt heute große Erwartungen: Artist of the Day ist Stefano May.

Für viele Gäste der Startschuss zum kollektiven App-Refresh. Tinder, Grindr, Romeo – alle Daumen wischen hektisch über Displays, in der Hoffnung, „Stefano, 200m entfernt“ zu entdecken. Erfahrene Mitreisende wissen: Stefano ist musikalisch ein Geschenk – und offenbar auch persönlich durchaus… offen für Improvisationen. Wie bei seiner Kochshow, bei der die Zutaten auf sich warten lassen. Egal, was über sein „offenes Naturell“ so gemunkelt wird – am Piano ist er schlichtweg grandios. Stimme, Ausstrahlung, Präsenz – alles sitzt. Ein Highlight der Reise. Standing Ovations. Keine Frage. Ich bleibe – ganz unironisch – beeindruckt.

Puppy und Papi auf der deutschen Gay Cruise im Mittelmeer

Und dann kommt mein persönlicher Abend. Das Thema: „Uniform & Fetish“ – mein geheimes Steckenpferd zwischen Peitsche und Pomp. DJ Chris Bekker, an Bord berühmt-berüchtigt für seine harten Beats, hat The Dome bereits in einen musikalischen Maschinenraum verwandelt. Ketten klirren, Lichter blitzen, Körper glänzen. Es ist ein bisschen wie der Berliner KitKat Club, nur auf hoher See – und mit besserem Lichtdesign. Gestalten in Lack, Leder, Latex, Nieten und Gummi gleiten durch den Raum. Die Luft: schwer, geladen, feucht. Mein Aperol zittert im Glas. Ich bin unsicher, ob es der Bass ist – oder die pure Überforderung.
Ich selbst trage stilecht Tarn – etwas zu knapp für den Armeedienst, aber genau richtig für den heutigen Fetisch-Freitag.

Gay Cruise 2025: Party in Taormina

Am Abend: Schnittchen-Alarm! Heute auf dem Tagesplan: John Riot aus Berlin. Auf den Veranstalter ist halt Verlass – jeden Tag eine neue Sahneschnitte auf der Bühne. Ich frage mich langsam ernsthaft, wo die alle während der restlichen Reise versteckt werden. Und weiter geht’s. Heute: Barbie & Ken. Da bin ich bestens vorbereitet!

Ich zerre meinen pinkfarbenen Anzug aus dem Schrank, überzeugt: Mehr Barbie geht nicht auf einer Kreuzfahrt für Schwule. Dachte ich. Bis ich The Dome betrete. Ich lande in einem Tüll-Traum, einer Pink-Parade, in der blonde Perücken, Glitzer, Tütüs und Stretchkleider auf mich herabrieseln wie Konfetti. Dazu einen Soundtrack aus Disco & Pop, der sich wie ein pinkfarbener, glitzernder Teppich über alles legt. Sogar mein Aperol im Glas wirkt plötzlich weniger orange – mehr pink. Oder täusche ich mich?

Pretty in Pink und seine bessere Hälfte auf der deutschen Gay Cruise

Deutsche Gay Kreuzfahrt 2025: An der Amalfi Küste

Wir liegen auf Reede, direkt vor der dramatisch schönen Kulisse der Amalfi Küste. Es schreit nach Landgang. Und nach italienischer Eiscreme. Gegen Mittag begebe ich mich entspannt an Land. Die Eisdiele lockt mit einer Instagram-würdigen Köstlichkeit: Zitronensorbet, serviert in einer ausgehöhlten Zitrone. Ich greife zur „Small“-Variante – schlanke 10 Euro. Schnapper! Als ich die Zitrone ausgelutscht und die Quittung gesehen habe, fühle ich mich ein bisschen wie nach einem Grindr-Date, das nur nach dem WLAN-Passwort gefragt hat. Aber immerhin entdecke ich ein kleines Restaurant in einer Seitengasse – lokale Küche, echte Köstlichkeiten, und ja, ich meine wirklich ESSEN. 

White Party an der Almalfi Küste

Am Abend steht das legendäre White Dinner, einem must jeder Gay Cruise, an. Ich treffe mich mit ein paar Mitreisenden im Restaurant. Der Abend verläuft erfreulich glatt – und das ist auch gut so, denn wenn man in weißer Kleidung isst, will man nicht aussehen wie ein Fleckenmuster aus Tomatensauce. Schließlich müssen die Outfits noch zur White Party in The Dome weiterverwendet werden. Offenbar haben einige Partygäste auf dem Weg vom Restaurant zur Party große Teile ihrer Garderobe verloren. Oder – realistischer – beim Dinner bekleckert und sich entschieden, einfach das Kleidungsstück wegzulassen. Clever.

Wieder mit dabei die weiße Perlenkette -sie scheint inzwischen zur offiziellen Bordwährung geworden zu sein. Erstaunlicherweise reicht sie für manche auch als alleiniges Kleidungsstück völlig aus. Oder man knotet mehrere Perlenketten zusammen und kreiert daraus ein fast funktionales Ganzkörper-Outfit. Die Grenzen zwischen Schmuck und Stoff verschwimmen. So mancher Tänzer entdeckt heute Abend seine geheime Berufung als Perlentaucher – eine unterschätzte Zunft, auch wenn sie nicht in jeder Jobbörse geführt wird.

Deutsche Gay Kreuzfahrt – Letzter Halt: Neapel

Drag Queen singt auf Deck der deutschen schwulen Kreuzfahrt

Am Nachmittag wird’s wieder schlüpfrig: Die Spartacus Crew ruft zu den legendären Pool Games, diesmal zur Kür von Mr. Gay Cruise. Die Kandidaten müssen sich diversen, beinahe jugendfreien Spielen stellen – ein Mix aus sportlicher Grazie, körperlichem Einsatz und nicht zu unterschätzender Selbstironie. Wie immer ist die Stimmung grandios. Es wird getanzt, geplanscht, gequietscht. Menschen fallen in den Pool – mit und ohne Kleidung – und Aperol Spritz fließt wie flüssiges Glitzerwasser. Es ist der letzte Tag der Reise. Und wer heute nicht noch mal alles gibt, war nie wirklich dabei.

Dann heißt es ein letztes Mal: Themenparty-Time.
Das Motto: Drag Me Home. Und plötzlich verschwimmen die Grenzen zwischen Geschlechtern, Dimensionen und Absatzhöhen. Die Männer sind schöner als die Frauen, die Frauen sind rar, und die Drag Queens laufen auf, als wäre es das Staffelfinale von RuPaul meets Eurovision. Die High Heels sind besonders high, die Perücken besonders voluminös, die Nägel länger als mein Geduldsfaden beim Tendern. Die Ketten glitzern, die Lichter flackern. Ein würdiger Abschluss für diese deutsche Gay Kreuzfahrt im Mittelmeer, die wieder einmal alles geboten hat: Sonne, Drama, Liebe, Aperol, Glitzer, Zitronensorbet für 10 Euro und mehr Männer in Netzshirts, als es in je Fitnessstudios geben wird.